V. DIE HIOBSBOTSCHAFT: DER SATAN HAT MICH BEWOGEN (2,3)
                Ist Gott, der auf seinen Heiligen wettet, Gewinner?

1. Das Buch Hiob - Aufbau, Entstehung, Entsprechungen.

Ijobbuch, ein dichterisches Werk des Alten Testaments. Es besteht aus Reden in Versform (Ijob 3,1-42,6), die von einem Prosaprolog (Ijob 1-2) und -epilog (Ijob 42,7-17) eingerahmt sind. Der Prolog erzählt, wie der fromme Ijob durch Unglücksschläge, die Gott auf Veranlassung des Satans über ihn bring, geprüft wird . Es folgen drei Redegänge, in denen Ijob sich mit den Freunden über den Sinn seines Leidens auseinandersetzt . Die Antwort Gottes ist mehrdeutig, weil sie gar nicht auf die Fragen Ijobs und seine Herausforderung einzugehen scheint . Die Versedichtung (Ijob 3,1-42,6) ist zwischen dem 5. Und 3. Jh. v. Chr. abgefaßt und vom Dichter in den Prosarahmen eingefügt worden, der ihm bereits vorgelegen hat. (1)

In der Hebräischen Bibel findet sich das Buch Hiob im dritten Hauptteil unter den so genannten "Schriften" (Ketubim oder Hagiographen). Es gehört damit zu den Büchern der Hebräischen Bibel, die den fünf Büchern Mose (Tora) und den sie auslegenden Propheten entstehungsgeschichtlich und inhaltlich nachgeordnet sind. So spiegelt die Einordnung des Buches Hiob unter die Ketubim einerseits seine relativ späte literarische Entstehung und Aufnahme in die Sammlung der heiligen Bücher wider. Andererseits spricht aus seiner Aufnahme unter die Ketubim die ihm zugemessene exemplarische Bedeutung für die religiöse Bewältigung der Gegenwart. (Bibelwissenschaft.de. Hiob/Hiobbuch)

     Aus dem 2. Jt v.u.Z. sind einige Texte bekannt, die Übereinstimmungen mit dem Buche Hiob aufweisen. Am deutlichsten sind sie in der Legende der Westsemiten um König Keret, eines Sohns des Gottes El.(2) Keret verliert, ähnlich wie Hiob, seine ganze Familie, wonach er eine für ihn von El bestimmte Königstochter heiratet, und mit der gleichen Anzahl von Kindern gesegnet, glücklich weiter regiert. Auch Hiob ist Herrscher, was gleich am Anfang des Buches mit der Aufzählung seines Besitzes und dem Satz: "und er war reicher als alle, die im Osten wohnten" gesagt ist, da mit "Osten" ein weites Gebiet zu verstehen ist. Er selbst sagt im Gespräch mit seinen Freunden: "Er hat mir mein Ehrenkleid ausgezogen und die Krone von meinem Haupt genommen" (19,9) und an anderer Stelle "die Fürsten hielten ihre Stimme zurück" (29,10). Die Geschichte des Kerets wurde im XIII Jh. v.u.Z. in der alten Königstadt Ugarit niedergeschrieben. Sie ist älter. Hiob lebt nach seiner Heilung 140 Jahre; seine Freunde werden als alt bezeichnet (32,6-9) und da es scheinbar alte Freunde sind, ist zu schließen, dass Hiob länger lebte als die biblischen Erzväter. Anders als Hiob, erkrankt Keret erst in der zweiten Phase seines Lebens. Bevor ihn El heilt, fragt ihn einer seiner Söhne: "Vater! Wirst du sterben wie die Menschen . sind die Götter sterblich?". Diese Frage verschiebt das Geschehen in die Zeit der biblischen Urväter. Darauf deuten auch die Gottessöhne um Gott, da nach der Ankunft Abrahams im Lande Kanaan um 1800 v.u.Z. (1M12) Gott allein oder in Begleitung von Engeln erscheint und die Bezeichnung "Gottessöhne" im Pentateuch nur noch einmal in 5.Mose 32,8 vorkommt.

Die Lage seiner Heimat, das Land Uz, östlich von Palästina (Ijob1,1.3) ist unbekannt. Diese Angabe zeigt aber, daß Ijob ursprünglich eine außerisraelitische Gestalt war.(1).

Der Name Hiob kommt in den ägyptischen Fluchtexten des 19. Jhs v. Chr. für einen Fürsten in der Gegend von Damaskus vor, in den Amarnabriefen für einen Fürsten von Pella.(3)

Im Vorwort zum Buch Ijob der Einheitsübersetzung ist zu lesen:

… für den Inhalt wird auf Parallelen in der sogenannten mesopotamischen Ijobliteratur verwiesen, die sich mit der Ungerechtigkeit und dem Leiden eines Unschuldigen beschäftigt."

Der Wesentliche an der Geschichte Hiobs ist allerdings, dass hier über die Ungerechtigkeit Gottes und über das von Gott zugefügte Leid berichtet wird.


2. Das verhüllende Drama

Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob. Der war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse. Und er zeugte sieben Söhne und drei Töchter, und er besaß siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen und sehr viel Gesinde (1,1-3).

Bei solchem Besitz ist an tausende Untertanen, eine entsprechende Verwaltung, an Hirtenkrieger, an Kriege und unvermeidbare Streitigkeiten zu denken. Gewiss, auch Herrscher können fromm und heilig sein, aber leicht haben sie es nicht.

Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, kam auch der Satan unter ihnen… Der HERR sprach zum Satan: Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse. Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Meinst du, dass Hiob Gott umsonst fürchtet? Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande. Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was er hat: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen! Der HERR sprach zum Satan: Siehe, alles, was er hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht (1,6-12).

Ein skeptischer Sohn Gottes – denn der der "Satan" ist offensichtlich ein Sohn Gottes – wundert nicht. Sein Zweifel an Reichtum als Belohnung von Tugend ist berechtigt, seine Kritik an den auf Vergrößerung des Besitzes Hiobs hinausgehende Segnungen Gottes ebenso. Dagegen wundert, dass Gott dem Satan seinen gottesfürchtigen und rechtschaffenden Untertanen der besonderen Aufmerksamkeit empfiehlt. Ist doch dieser Mann vergleichbar mit Noah, den der Gott des Pentateuchs samt Nachkommenschaft rettet, nachdem er beschlossen hat die Menschheit zu vernichten. Und warum lässt sich Gott auf die Wette ein? Wäre er sicher die Wette zu gewinnen, sollte er entschieden das "Fort mit dir!" ausrufen, nicht aber dem ihm ergebenen Hiob unermessliches Leid zufügen. Ist es nicht ein Widerspruch in sich selbst? Und wie überhaupt ist ein skeptischer Gott zu verstehen?

Der Satan erledigt die Sache gründlich. In kurzer Zeit verliert Hiob Familie, Land und Besitz, wobei der Satan es auf eine Weise anstellt, die zum Schlusse zwingt, dass er über immense Macht verfügt, die er ohne besondere Bevollmächtigung Gottes einsetzen kann.

Doch Hiobs Glaube an Gott bleibt unerschüttert:

Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt! (1,10).

Nach einiger Zeit kommen Gott und Gottessöhne wieder zusammen:

Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du Acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen! Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben! Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. (2,3-7)

Hiob liegt zerstört am Boden, will sterben:

Wenn ich dachte, mein Bett soll mich trösten, mein Lager soll mir meinen Jammer erleichtern, so erschrecktest du mich mit Träumen und machtest mir Grauen durch Gesichte, dass ich mir wünschte, erwürgt zu sein, und den Tod lieber hätte als meine Schmerzen. Ich vergehe! Ich leb' ja nicht ewig. Lass ab von mir, denn meine Tage sind nur noch ein Hauch. (7,13-16)

Zu bemerken: Die vom Gott des Pentateuch Gesegneten sterben nicht von Krankheit, aber lebenssatt.

Den Leidenden besuchen drei Freunde "um ihn zu beklagen und zu trösten" (2,11). Sie tun es schlecht, denn erklären sein Unglück mit Strafe Gottes für seine Sünden, obwohl er hartnäckig beteuert unschuldig zu sein.

Bedenke doch: Wo ist ein Unschuldiger umgekommen? Oder wo wurden die Gerechten je vertilgt?" (4,7)

…der Mensch erzeugt sich selbst das Unheil…(5,7)

Siehe, selig ist der Mensch, den Gott zurechtweist; darum widersetze dich nicht der Zucht des Allmächtigen nicht".(5,17)

Wie lange willst du so reden und sollen die Reden deines Mundes so ungestüm daherfahren? Meinst du, dass Gott unrecht richtet oder der Allmächtige das Recht verkehrt? Haben deine Söhne vor ihm gesündigt, so hat er sie verstoßen um ihrer Sünde willen. Wenn du aber dich beizeiten zu Gott wendest und zu dem Allmächtigen flehst, wenn du rein und fromm bist, so wird er deinetwegen aufwachen und wird wieder aufrichten deine Wohnung, wie es dir zusteht. (8,2-6)

Wenn aber du dein Herz auf ihn richtest und deine Hände zu ihm ausbreitest, wenn du den Frevel in deiner Hand von dir wegtust, dass in deiner Hütte kein Unrecht bliebe: so könntest du dein Antlitz aufheben ohne Tadel und würdest fest sein und dich nicht fürchten. (11,13-15)

So vertrage dich nun mit Gott und mache Frieden; daraus wird dir viel Gutes kommen. Nimm doch Weisung an von seinem Munde, und fasse seine Worte in dein Herz. Bekehrst du dich zum Allmächtigen und demütigst du dich und tust das Unrecht weit weg von deiner Hütte - wirf in den Staub dein Gold und zu den Steinen der Bäche das Gold von Ofir - so wird der Allmächtige dein Gold sein und wie Silber, das dir zugehäuft wird . Denn er erniedrigt die Hochmütigen; aber wer seine Augen niederschlägt, dem hilft er." (22,21-29)

Hiob weist die Vorwürfe und Erklärungen seiner Freunde zurück, schwört auf seine Unschuld, schreit zu Gott um Gerechtigkeit.

Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muss ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet. (6,4)

Gefällt dir's, dass du Gewalt tust und verwirfst mich . wo du doch weißt, dass ich nicht schuldig bin…? (10,3)

Er hat mich zerbrochen um und um, dass ich dahinfuhr, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. (19,10)

Gott ist's, der mein Herz mutlos gemacht, (23,16)

…‐ meine Lippen reden nichts Unrechtes, und meine Zunge sagt keinen Betrug. Das sei ferne von mir, dass ich euch Recht gebe; bis mein Ende kommt, will ich nicht weichen von meiner Unschuld. An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht; mein Gewissen beißt mich nicht wegen eines meiner Tage. (27,4-6)

Er hat mein Seil gelöst und mich gedemütigt und den Zaum weggetan, an dem er mich hielt. (30,11)

ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht; ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich. Du hast dich mir verwandelt in einen Grausamen und streitest gegen mich mit der Stärke deiner Hand. (30,20-21)

Der Leser weiß, dass Hiob nicht für seine Sünden bestraft wurde, auch nicht von Gott aus Zweifel an seiner Rechtschaffenheit geprüft wird, aber dass Gott vom Satan angestiftet, ihn willkürlich leiden lässt. Die Freunde Hiobs wissen es nicht. Sie bringen in das Streitgespräch ihr Wissen von einem Gott ein, dessen Einverständnis den Satan walten zu lassen, undenkbar ist. Der Mythendichter lenkt von dieser entstellten Ausgangslage ab, indem er in die Auseinandersetzungen tiefdringende Gedankengänge einbringt, wie es etwa die Zwischentitel der Einheitsübersetzung hervorheben (die Sündhaftigkeit aller Menschen (15,1-16), das Schicksal des Frevlers (20,4-29), die Erhabenheit der Weisheit (28,1-19), die schreckliche Gegenwart (20,1-31) und anderes), was obwohl an sich bedeutsam, mit dem diskutierten Problem wenig gemein hat. Es bringt schließlich Hiob dahin zu sagen:

Wollt ihr Gott verteidigen mit Unrecht und Trug für ihn reden? Wollt ihr für ihn Partei nehmen? (13,7-8)


3. Der vierte Mann

Nachdem den Freunden in der Auseinandersetzung mit Hiob weitere Argumente fehlen, ergreift das Wort ein junger Mann, namens Elihu, der obwohl zuvor nicht erwähnt, den Reden zugehört haben muss. Er nimmt sich das Recht die Älteren zu tadeln und beansprucht für sich die Zurechtweisung Hiobs, aber scheint, ebenso wie die anderen, von dem von Gott zugelassenen Eingreifen Satans nichts zu wissen. Auch er bringt für Gott keine neuen Argumente ein, sondern stellt autoritär fest:

Es sei ferne, dass Gott sollte gottlos handeln und der Allmächtige ungerecht; sondern er vergilt dem Menschen, wie er verdient hat, und trifft einen jeden nach seinem Tun. Ohne Zweifel, Gott tut niemals Unrecht, und der Allmächtige beugt das Recht nicht. (34,10-12)

Eine Aussage allerdings lässt aufhorchen, denn sie trennt erstaunlich deutlich Gott von den Menschen:

Sündigst du, was kannst du ihm schaden? Und wenn deine Missetaten viel sind, was kannst du ihm tun? Und wenn du gerecht wärst, was kannst du ihm geben, oder was wird er von deinen Händen nehmen? Nur einem Menschen wie dir kann deine Bosheit etwas tun und einem Menschenkind deine Gerechtigkeit. (35,6-8)

Sie stellt nämlich das Tun des Gottes des Pentateuchs, dessen Streben dem Menschen gilt und sich im Menschen erfüllt, derart in Frage, dass man zweifeln darf, ob Elihu denselben Gott vertritt. Im Verlaufe seiner Rede findet dieser, wie aus dem Nichts erschienene, junge Mann Worte, mit denen er seine Autorität und Überlegenheit zu erkennen gibt und nach und nach auf die Männer suggestiv einwirkt.

Vor mir soll kein Ansehen der Person gelten, und ich will keinem Menschen schmeicheln. (32,21)

Siehe, vor Gott bin ich wie du, und aus Erde bin auch ich gemacht. Siehe, du brauchst vor mir nicht zu erschrecken, und mein Drängen soll nicht auf dir lasten (33,6-7)

Ich will mein Wissen weit herholen und meinem Schöpfer Recht verschaffen. Meine Reden sind wahrlich nicht falsch; vor dir steht einer, der es wirklich weiß. (36,3-4)

Er bedeckt seine Hände mit Blitzen und bietet sie auf gegen den, der ihn angreift. Ihn kündet an sein Donnern, wenn er mit Zorn eifert gegen den Frevel. (36,32-33)

O hört doch, wie sein Donner rollt und was für Gedröhn aus seinem Munde geht! (37,2)

Das Buch Hiob wird allgemein als Meisterwerk der Weltliteratur anerkannt. Das Erscheinen des vierten, zu keiner Zeit angesagtem, Mann, ist als Konstruktionsfehler der literarischen Darstellung unwahrscheinlich. Der Mythendichter will diesen Mann, dessen Name "Elihu", "Mein Gott ist er" bedeutet, als unerklärliche Erscheinung ins Gespräch bringen. Dieser Mann leitet das Donnergetöse ein, aus dem die Stimme Gottes ertönt, wonach seine Rede ohne Einleitung in die Rede Gottes übergeht:

Von Norden kommt goldener Schein; um Gott her ist schrecklicher Glanz. Den Allmächtigen erreichen wir nicht, der so groß ist an Kraft und reich an Gerechtigkeit. Das Recht beugt er nicht. Darum sollen ihn die Menschen fürchten, und er sieht keinen an, wie weise sie auch sind. (37,22-24) Und der HERR antwortete Hiob aus dem Wettersturm und sprach: Wer ist's, der den Ratschluss verdunkelt mit Worten ohne Verstand? (38,1-2))

Gott wendet sich direkt an Hiob, doch geht auf das zentrale Problem der Auseinandersetzung und auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht ein. Er erinnert an seine Leistung als Schöpfer der Zivilisation (38,4). Berichtet von seiner Kenntnis der Natur und seiner Macht über Naturkräfte (38,16ff.). Stellt Tiere als seine Schöpfung in den Vordergrund (38, 39-41; 39,1-30), hebt in sehr langer Rede die Unbesiegbarkeit des Krokodils (40,25-32; 41,1-25) hervor, ebenso wie die Kraft des Nilpferdes (40,15-24). Man lese es in der Einheitsübersetzung:

Sieh doch das Nilpferd, das ich wie dich erschuf. Gras frißt es wie ein Rind. Sie doch die Kraft in seinen Lenden und die Stärke in den Muskeln seines Leibes . (40,15ff.)

Von der Erschaffung des Menschen ist dagegen nichts zu hören. Weil Gott sich mit dem Menschen nicht lobpreisen kann? Mit dieser Rede kann er Hiob nicht überzeugen, er kann ihn nur einschüchtern:

Ich will dich fragen; lehre mich! Willst du mein Urteil zunichte machen und mich schuldig sprechen, dass du Recht behältst? Hast du einen Arm wie Gott, und kannst du mit gleicher Stimme donnern wie er? (40,8-9)

Der Leser, der von der Abmachung Gottes mit dem Satan weiß, kann die Berufung auf Macht nur als Ausflucht verstehen, was die Ungerechtigkeit nicht rechtfertigt, wodurch aber ein Zug von Falschheit in die Rede Gottes hineinkommt. Und Hiob? Der Mann, der zuvor sagt:

Meine Lippen reden nichts Unrechtes, und meine Zunge sagt keinen Betrug. So wahr Gott lebt, der mir mein Recht verweigert, und der Allmächtige, der meine Seele betrübt - solange noch mein Odem in mir ist und der Hauch von Gott in meiner Nase (27,4-6),

dieser Mann spürt die Falschheit dieser Beziehung und gibt auf:

Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche (42,5-6)

Wen hat er gesehen? Und wie entschädigt dieser ihn? Er macht ihn doppelt so reich. Jetzt hat es der Satan leichter.


4. Der andere Gott

Der Gott des Pentateuchs lässt Jakob und seine Nachkommen bettelarm nach Ägypten ziehen und führt besitzlose Flüchtlinge in das verheißene Land. Den Leviten, die Israel in Heiligkeit führen sollen, weist er kein Land zu. Der Gott des Buches Hiob, der den sich unterwerfenden Hiob mit sagenhaften Reichtum belohnt, agiert wie ein weltlicher Herrscher.
Der Gott des Pentateuchs segnet mit Vermehrung, lässt die von ihm Erwählten zum großen Volk wachsen, worüber mit Namen und Zahlen berichtet wird. Der Gott des Buches Hiob gibt dem von ihm Erwählten zwar dieselbe Anzahl Kinder wieder, doch die Anzahl der Kindeskinder wird nicht erwähnt.

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. (2M1-6)

Der Gott des Pentateuchs erscheint dem Mose unerwartet und stellt sich mit einem Satze als Gott vor. Vor dieser Kraft kann sich Mose nur beugen. Auch der Gott des Buches Hiob erscheint zunächst als Engel (Elihu), doch braucht eine lange mental-suggestive Einleitung, bevor die Stimme Gottes im Wettersturm ertönt, um sich mit einer Rede voller Lobpreisungen vorzustellen.


Wenn du aber dort den HERRN, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst. (5M4,29)

Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, . Es ist auch nicht jenseits des Meeres,… Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse. Wenn du gehorchst den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren…(5M11-16)

Der Gott des Pentateuchs ringt und bangt um das Heil der Menschen, führt sie ins Heil und beschwört sie in seiner Abschiedsrede nach Heil unablässig zu streben.
Der Gott des Buches Hiob kann nicht ins Heil führen, denn er hat das Unheil auf Hiob herbeigeführt. Die Prüfung durch den Satan hätte nur dann Sinn, wenn Gott feststellen wollte, wie zuverlässig Hiob als Verbündeter sei. Doch das sollte Gott wissen, denn der Zweifel daran ist, wie aus der Geschichte hervorgeht, unbegründet. Auf jeden Fall aber sollte er Hiob in seinem Glauben bestärkt haben. Das Gegenteil ist geschehen, denn Hiob klagt:

Gott ist´s, der mein Herz mutlos gemacht…(23,16)

Der zweifelnde Gott macht seine Ungerechtigkeit gut, indem er den Besitz Hiobs verdoppelt, doch hat er jetzt denselben Mitstreiter, wie zuvor?

Gürte deine Lenden wie ein Mann! (38,3)

– befiehlt Gott im ersten Satz an Hiob.

Ein nach Macht strebender Gott – die Verdoppelung des Besitzes läuft nämlich auf Krieg und Landnahme hinaus - braucht andere Mitstreiter als ein Heilsgott.


5. Die eigentliche Nachricht

Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben, und das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht er, wer anders sollte es tun? (9,24)

Gefällt dir's, dass du Gewalt tust und verwirfst mich, den deine Hände gemacht haben, und bringst der Gottlosen Vorhaben zu Ehren? (10,3)

Die Hütten der Verwüster stehen ganz sicher, und Ruhe haben, die wider Gott toben, die Gott in ihrer Faust führen. (12,6)

Warum bleiben die Gottlosen am Leben, werden alt und nehmen zu an Kraft? Ihr Geschlecht ist sicher um sie her, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Ihr Haus hat Frieden ohne Furcht, und Gottes Rute ist nicht über ihnen. (21,7-9)

Sie werden alt bei guten Tagen, und in Ruhe fahren sie hinab zu den Toten, und doch sagen sie zu Gott: Weiche von uns, wir wollen von deinen Wegen nichts wissen! Wer ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen sollten? Oder was nützt es uns, wenn wir ihn anrufen? (21,13-15)

Hältst du den Weg der Vorzeit ein, auf dem die Ungerechten gegangen sind, die fortgerafft wurden, ehe es Zeit war, und das Wasser hat ihren Grund weggewaschen, die zu Gott sprachen: Heb dich von uns!? Was sollte der Allmächtige ihnen antun können? Hat er doch ihr Haus mit Gütern gefüllt. (22,15-18)

Schon die kurze Aneinanderreihung der Zitate lässt erkennen, dass die Menschen sich von Gott abgekehrt haben und ihre eignen Wege gehen. Da es heißt: "Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben" (9,24), ist an eine allgemeine Bewegung weg von Gott und gegen Gott zu denken, was nur deshalb kaum wahrgenommen wird, weil der Gott anflehende Hiob und die beharrlich auf die Gerechtigkeit Gottes sich berufenden Freunde diese Nachricht in den Hintergrund drängen. Doch sie sagt unüberhörbar, dass es die Mächtigen und Reichen sind, die sich von Gott abgewendet haben und die Verarmten nach Gerechtigkeit schreien. Und den Vorwurf des Reichtums macht einer seiner Freunde auch dem Hiob.

Bekehrst du dich zum Allmächtigen und demütigst du dich und tust das Unrecht weit weg von deiner Hütte - wirf in den Staub dein Gold und zu den Steinen der Bäche das Gold von Ofir -, so wird der Allmächtige dein Gold sein und wie Silber, das dir zugehäuft wird. (22,23-25)

Auch der Pentateuch berichtet von der massenhaften Abkehr der Menschen von Gott. Es ist die Stelle, wo Gott sagt:

Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde… Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN… (1M6,5-9)

Dem Satz:

Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse. (Hiob 1,8)

entspricht der Satz:

Noah war ein frommer Mann und ohne Tadel zu seinen Zeiten; er wandelte mit Gott. (1M6,9)

Von wirtschaftlicher Entwicklung und wachsendem Reichtum zur Zeit Noahs ist keine Rede, doch Menschen, die fähig waren eine riesige Arche zu bauen, mussten eine leistungsfähige Wirtschaft und eine technische Zivilisation entwickelt haben. Hier hat die Abkehr von Gott keine Folgen, da Gott die Sache erledigt, indem er die abtrünnige Menschheit ertränkt. Ein Heilsakt war es indessen nicht, denn dieser würde sich in langer Lebenszeit äußern, wogegen 1Mose 11 über den dramatischen Rückgang der Lebenszeit der Nachkommen Noahs berichtet.

Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. (1M11,4)

Gott will es verhindern:

… dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun! … So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. (1M11,6-8 )

Die Entwicklung der technischen Zivilisation ist hier nur allegorisch angedeutet und als Episode dargestellt, wodurch auch diese Sache erledigt scheint, sodass nicht in den Sinn kommt, dass die Zerstreuung der Baumeister nichts bewirkt hat oder das Gegenteil bewirkt haben könnte, da zu dieser Zeit, wie die Geschichte lehrt, Städte in allen Ländern aus dem Boden wuchsen, weil eben die wirtschaftlichen Bedingungen dafür geschaffen wurden.
Dagegen wird im Buche Hiob über technische Errungenschaften mit gewissem Stolz berichtet, auch wenn am Ende bedacht wird, dass dadurch Weisheit nicht zu finden ist.

Es hat das Silber seine Gänge und das Gold seinen Ort, wo man es läutert. Eisen bringt man aus der Erde, und aus dem Gestein schmilzt man Kupfer. Man macht der Finsternis ein Ende, und bis ins Letzte erforscht man das Gestein, das im Dunkel tief verborgen liegt. Man bricht einen Schacht fern von da, wo man wohnt; vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängen und schweben sie, fern von den Menschen. Man zerwühlt wie Feuer unten die Erde, auf der doch oben das Brot wächst. Man findet Saphir in ihrem Gestein, und es birgt Goldstaub . Auch legt man die Hand an die Felsen und gräbt die Berge von Grund aus um. Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles, was kostbar ist, sieht das Auge. Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt, was verborgen ist, ans Licht. Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht? (28,1-12)

Selbst bei Gott ist eine Faszination an Technik bemerkbar, denn er beschreibt die Erschaffung der Welt als technisches Unternehmen:

Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir's, wenn du so klug bist! Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat? Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne? (38,4-7)

Die Ursache der Abkehr von Gott war wirtschaftliche Entwicklung und die daraus sich ergebene Möglichkeit Reichtum anzuhäufen und Macht auszuüben. Diese Möglichkeit hatte Gott geschaffen. Es war eine Verfehlung. Die Wucht dieser Entwicklung und der Bewegung gegen Gott war derart, dass nichts außer einer Sintflut sie zurückdrängen könnte. Eine ähnlich schnelle Veränderung gab es in der Entwicklungsgeschichte des Menschen nie zuvor. Sie war nicht vorauszusehen und der dadurch verursachte Schaden an Geist und Körper nicht abzuwenden, da Machtausübung durch rohe Gewalt und wirtschaftlichen Zwang viel leichter ist als geistige Beeinflussung. Dennoch wäre Gott vorzuwerfen diese Fehlentwicklung zugelassen zu haben. Daher trennten die Mythendichter den als Heilsbuch konzipierten Pentateuch von der Geschichte des verlorenen Kampfes Gottes ums Heil.


6. Das fehlende Kapitel

Ich habe diese Entwicklung in der Abhandlung "Der gesellschaftspolitische Hintergrund des Ersten Buches Mose und analoger Mythen" aus den in 1Mose (Genesis) enthaltenen Hinweisen soweit möglich rekonstruiert. Im Buche Hiob ist einiges davon enthalten, was sich dort als Folgerung ergab. Das Geschehen zwischen dem Auszuge aus dem Paradies und der Sintflut wurde von einigen Generationen der Nachkommen der Elohim (wie die Götter gleich im ersten Satz des Pentateuchs genannt werden) bestimmt, von denen der Älteste höchster Gott ist. Für die Einheimischen waren diese körperlich sehr ähnlichen Männer nicht unterscheidbar. Diese Männer bestimmten über Jahrtausende das Weltgeschehen mit Geschick und Kraft des Wüstengottes, wie im Zweiten Buche Mose beschrieben, und der Hingabe ihrer Mission, wie es Jesaja zu sagen wusste: "Bis ins Alter bin ich derselbe und bis zum Grauhaar bin ich's der es trägt… ich will heben und tragen und erretten" (Jes 46,4, nach Sanhedrin 38b – schon für Luther ein "unmöglicher" Satz). Das Buch Hiob gibt zu erkennen, dass sich im Laufe der Zeit diese Männer verändert haben. Dadurch machen die Angaben des Buches Hiob die zugrundeliegenden anthropologischen und gesellschaftlichen Prozesse verständlicher.

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. … Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! (14,1-4)

Und wie kann rein sein ein vom Weibe Geborener? (25,4)

Siehe, vor Gott bin ich wie du, und aus Erde bin auch ich gemacht. Siehe, du brauchst vor mir nicht zu erschrecken. (33,6-7)

Mit dem Zusammenhang zwischen Reinheit und Weib, zwischen Unreinheit und frühem Sterben, und dem Bekenntnis des Elihu aus Erde gemacht worden sein, sind diese Prozesse deutlicher darstellbar, als in der angeführten Abhandlung. Ich fasse es kurz zusammen.

Während des letzten erdgeschichtlichen Umbruches vor etwa 12000 Jahren retteten sich einige oder einige zehn Menschen von einer entfernten Insel ins Innere des Festlandes. Unter ihnen waren nur wenige Frauen, zu wenige, um eine überlebensfähige Population aufzubauen. Die Männer paarten sich mit einheimischen Frauen, bezeichnet als "Erde" in 1Mose (in Mythen auch "Ton" oder "Lehm", in Mittelamerika "Mais"). Diese Frauen lebten um ein vielfaches kürzer als die Männer. So wurde es zum Sinn des Lebens der Männer möglichst langlebige Nachkommen zu hinterlassen. Dazu waren einige Regeln einzuhalten.


(I) Paarung ausschließlich mit weiblichen Nachkommen eines Grundbestandes einheimischer Frauen ("Erde"). Am deutlichsten bei Esra 9,1-3, 10,2-3. Wird bis heute eingehalten: Jude oder Jüdin ist, wer Kind einer jüdischen Mutter ist. War zu erreichen durch Paarung mit Töchtern, Enkelinnen, Urenkelinnen, Ururenkelinnen… des Grundbestandes der Frauen. Im Sonderfall Paarung mit eigenen Töchtern, wie bei Lot oder mit eigener Tochter, Enkelin, Urenkelin und Ururenkelin, wie im sumerischen Mythos um den Gott Enki. Da die Männer sehr ähnlich sind, ist namenhafte Vaterschaft bedeutungslos. Die Verwandtschaftsehen in der Sippe Abrahams, in Herrscherdynastien und bei Aristokraten, sind späte Ausprägungen dieser Regel.

(II) Kinderlosigkeit der Söhne der Elohim. Mögliche Maßnahmen: Zugang nur zu nicht empfängnisbereiten Frauen. Verwendung der von den Beweggründen der Väter überzeugten Söhne (Engel Gottes) in Streitkräften und Außendienst; anderenfalls Vertreibung.

(III) Nach Aussterben der Elohim Zeugungsrecht der männlichen Nachkommen, deren Mütter die meisten Generationen von "Erde" trennte. War schwierig durchzusetzen, da die Frauen der matrilinear späteren Generationen weniger oder keine Töchter gebaren und oft unfruchtbar waren.

(IV) Bei Fehlen von Frauen des Grundbestandes, Anlegung eines sekundären Grundbestandes


Das Vorhaben der Elohim scheiterte am Erfolg verstoßener Söhne, denen es gelang im Umfeld des Gartens Eden profane Fürstentümer zu gründen. (Latein, profanus "vor dem heiligen Bezirk liegend, ungeheiligt"; zu fanum "Heiligtum"). Durch Bündnisse mit abtrünnigen, nach eigener Nachkommenschaft strebenden Nachkommen der Elophim, breitete sich der Machtbereich der profanen Fürsten stark aus. Für sie war das Gebot der Zeugung mit Frauen des Grundbestandes gegenstandlos, da sie an diese Frauen nur selten kamen, aber für ihre Kriege viele Söhne brauchten. Es sind die, die im Buche Hiob zu Gott sagen: "Weiche von uns, wir wollen von deinen Wegen nichts wissen!" Schon nach wenigen Jahrhunderten zeichnete sich in kriegerischen Auseinandersetzungen mit den die Mission der Elohim fortsetzenden Gottesfürsten ihre zahlenmäßige Überlegenheit ab. So blieb auch den Gottesfürsten nichts anderes übrig als Frauen zu nehmen, "welche sie wollten" (1M6,2). Schlimmer: Zur Schließung von Bündnissen mit profanen Fürsten gaben sie ihnen als Gegenleistung ihre begehrten, zum Grundbestand gehörenden, Töchter. Es ist die Situation, in der Gott alle von ihm geschaffenen Menschen vernichtet, außer den wenigen, die sich an die Regeln hielten, was er mit einer Sintflut tut, die den Berg Ararat (5156 m) bedeckt, also nie gab.

Im Verständnis dieser Geschichte sind die nach der Sintflut genannten Urväter (Sem und weitere) diejenigen, die ihre Abstammung väterlichseits auf die Elohim zurückführen, doch mütterlichseits, wie der dramatische Rückgang der Lebenszeit sagt, nicht mehr auf Frauen des Grundbestandes. Von da an war das Vorhaben der Elohim nur in kleinen Populationen von Heilstrebern weiterzuführen, die mit den besten erwerbbaren Frauen sekundäre Grundbestände aufbauten.

Die Vorgänge waren komplexer, da wie Mythen berichten und das Alte Testament erwähnt, manche Götter zur Umsetzung der Regeln sich für Tötung der Söhne, meist neugeborener Söhne, entschieden haben, wodurch Konflikte ganz anderer Art entbrannten. Dann aber mussten sie unfruchtbare Frauen zu Kriegerinnen ausbilden. Der Tötung der Knaben wussten Mütter sich zu widersetzen, und die kriegerischen Frauen unterlagen schließlich der Überzahl der Männer.

Wenn Elihu sagt, dass auch er aus Erde gemacht ist, gibt er die in den Voraussetzungen enthaltene Unmöglichkeit wieder, den Ausgangstypus vollkommen zu reproduzieren. Der Anteil der Elohim in der Bevölkerung schwand nicht nur wegen Missachtung der Regeln. Sie hatten die Natur gegen sich. Das Erbgut der einheimischen Frauen, durch eine weit größere Anzahl von Generationen geprägt, tendierte sich durchzusetzen, wogegen die in Mythen und Schrift oft beklagte Unfruchtbarkeit der "aus dem Manne gemachten" Frau, wie am Anfang von 1 Mose gesagt, die matrilinearen Erbgänge unwiderruflich abbrach.

Patrilinear konnten Juden noch in Zeiten des Jesus ihre Herkunft auf Gott zurückführen. Bei Lukas (3,38) ist es so:

Und Jesus war, als er auftrat, etwa dreißig Jahre alt und wurde gehalten für einen Sohn Josefs, der war ein Sohn Elis, der war ein Sohn Mattats,…der war ein Sohn des Enosch, der war ein Sohn Sets, der war ein Sohn Adams, der war Gottes.

Matrilinear wäre früher oder später zu sagen: …und die war von "Erde". Wohlgemerkt, zwischen Adam und Gott liegen viele Generationen, in denen fast tausend Jahre lebende Männer und vermutlich nicht viel kürzer lebende Frauen reproduziert wurden.

Da das Buch Hiob über die Zeiten der Urväter berichtet, sollte es Hinweise auf die hier beschriebenen Prozesse enthalten. Zur Verständnis des Textes ist zu berücksichtigen, dass hier, wie im Pentateuch als "Söhne" auch Enkel, Urenkel, usw., als "Töchter" auch Enkelinnen, Urenkelinnen, usw. bezeichnet werden, was verständlich ist, da bei Einhaltung der Regeln die Bedeutungen dieser Begriffe sich decken, wie etwa bei Lot, dessen Söhne mit Töchtern zugleich seine Enkel sind.

Im Anfang des Buches werden die Namen der Söhne Hiobs nicht angeführt und über ihre Nachkommenschaft nicht berichtet, dagegen sagt einer der Freunde Hiobs:

Haben deine Söhne vor ihm gesündigt, so hat er sie verstoßen um ihrer Sünde willen. (8,4)

Die Verstoßung der Söhne deutet auf Einhaltung der Regel (II). Zuvor ist gesagt:

Und seine Söhne gingen hin und machten ein Festmahl, ein jeder in seinem Hause an seinem Tag, und sie sandten hin und luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken. Und wenn die Tage des Mahles um waren, sandte Hiob hin und heiligte sie und machte sich früh am Morgen auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl; denn Hiob dachte: Meine Söhne könnten gesündigt und Gott abgesagt haben in ihrem Herzen. So tat Hiob allezeit. (1,4-5)

Die Töchter Hiobs gehen zu ihren Brüdern hin, also könnten sie im Haus des Vaters gelebt haben, was als Sonderfall der Regel (I) zu deuten ist. Der Vater hat offensichtlich guten Grund zu befürchten, dass bei den Festen seine Söhne Gott abgesagt haben könnten, doch dieser Art Feste waren gebräuchlich, da er jedes Mal hingeht seine Söhne zu entsühnen, was erklärbar wäre, wenn sexueller Verkehr zwischen Geschwistern solange folgenlos nicht als sittenwidrig und sündhaft empfunden wurde. Die rituelle Entsühnung und die Umschreibung "abgesagt im Herzen" sagen zugleich, dass dieser Fall nicht als Straftat geahndet wurde.
Im Epilog der Geschichte sind nicht die Namen der Söhne, sondern der Töchter genannt. Die vier Generationen der Kindeskinder, von denen Rede ist, könnten daher Kinder der Töchter sein. Daraus wäre zu folgern, dass Hiob nicht irgendein Herrscher, sondern Gottesfürst ist.


7. Was sagen die Bezeichnungen Gottes?

Für die Vermutung, dass die Lehrbücher und Prophetischen Bücher des Alten Testaments auch Berichte über die Zeit zwischen dem Auszug aus dem Paradies und der Ankunft Abrahams im Lande Kanaan enthalten, sprechen die dort verwendeten Bezeichnungen Gottes. Da ist zunächst "Zebaoth" – "Gott der Heerscharen". Dazu ist im On-line Bibellexikon zu lesen:

Zebaoth ist mit 285 Belegen (einschl. 2Kön 19,31) die häufigste Gottesbezeichnung im Alten Testament. Dabei sind die Belege in auffallender Weise unterschiedlich verteilt: Die Bezeichnung fehlt im ganzen Pentateuch sowie in den Büchern Josua und Richter…Die Gottesbezeichnung Zebaoth bezieht sich immer auf Jhwh, den Gott Israels, und kommt ausschließlich in Verbindung mit dem Gottesnamen Jhwh vor, …In den modernen Bibelübersetzungen wird Zebaoth entweder transkribiert ("Zebaoth") oder mit "(Herr der) Heerscharen" übersetzt. Auch in der Septuaginta findet man schon beides, die Transkription. oder eine Übersetzung, und zwar entweder mit "ton dynameon" – "(Herr) der Mächte" oder mit pantokrator – "Allherrscher".

Das Fehlen der Bezeichnung "Gott der Heerscharen" im 1Mose (Genesis) ist erklärbar, da Gott dort stets allein oder in Begleitung einiger Engel erscheint, und ein Hinweis auf Machtstrukturen überhaupt nur aus dem Satz:

"Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten… (1M14,18)" zu entnehmen ist.

Als er die Israeliten durch die Wüste führt, ist er jedoch Herr der Heerscharen. Ebenso in den im Buche Josua beschriebenen siegreichen Kriegen, in denen die Israeliten das verheißene Land einnahmen, und den im Buche der Richter und weiteren Büchern beschriebenen siegreichen Kriegen, die mit der Gründung der Staaten Juda und Israel ihren krönenden Abschluss fanden. Dort jedoch fehlt die Bezeichnung "Herr der Heerscharen". Dagegen erscheint sie vielfach in den Prophetischen Büchern, die verlorene Kriege und Verlust des Staatswesens beklagen. Es ist verständlich, dass in Zeiten der Unterwerfung durch fremde Mächte die Propheten den Gott der Siegeszüge anriefen. Und dort werden, wie im Buche Hiob, zusammenhanglos Berichte aus tiefer Vergangenheit eingefügt, welche Angriffe profaner Fürsten auf Gottesfürsten und Niederlage der Gottesfürsten beschreiben. So etwa bei Daniel:

Der König tut, was er will. Er wird übermütig und prahlt gegenüber allen Göttern, auch gegenüber dem höchsten Gott führt er unglaubliche Reden. Dabei hat er Erfolg, bis der Zorn (Gottes) zu Ende ist. Denn was beschlossen ist, muss ausgeführt werden. Er missachtet sogar die Götter seiner Väter, auch den Liebling der Frauen achtet er nicht und überhaupt keinen Gott; er prahlt gegenüber allen. Stattdessen verehrt er den Gott der Festungen; einen Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, verehrt er mit Gold und Silber, mit Edelsteinen und Kostbarkeiten. Starke Festungen greift er an mit Hilfe des fremden Gottes. Alle, die ihn anerkennen, überhäuft er mit Ehren; er verleiht ihnen die Herrschaft über viele Menschen und teilt ihnen als Belohnung Land zu. (Daniel 11, 36-39, EÜ)

Ich habe diesen Passus angeführt als Zeugnis des Machtschwundes der alten Götter, des Aufkommens neuer Götter und der Zunahme der Bedeutung von Städten. Er deutet im Allgemeinen auf Machtverhältnisse, wo Gebote und Segnungen Gottes das Tun der Menschen kaum mehr beeinflussen, aber Götter sich Anerkennung, wie im Buche Hiob, mit Vergabe von Gütern erkaufen. Auch deswegen, weil in der eingehend genannten Abhandlung (IV. Der gesellschaftliche…) Bezeichnungen Gottes, wie "Liebling der Frauen", mir sehr fehlten, denn ich kannte nur den ugaritischen Mythos um Gott El, der erzählt, wie dieser am Strande des Meeres mit der Größe seiner Hand zwei Frauen betört, die ihm die huldvollen Götter "Morgenröte" und "Dämmerung" gebären.(2)

"Shaddai. Als Beiwort haben wir "Shaddai" schon in dem Kapitel "2.1. El" kennengelernt. Gott kann aber auch einfach als Schaddai (Allmächtiger) angeredet werden. Somit ist Schaddai ebenfalls ein Name für Gott. Noch 6-mal kommt der Ausdruck im Ersten Buch Mose vor, und zwar in 35,11; 28,3; 43,14; 48,3; 49,25. Somit gebrauchen also gerade die Patriarchen den Namen sehr gerne. Im Pentateuch (die fünf Bücher Mose) kommt er nur noch in 4.Mose 4,4.16 vor. Ansonsten kommt "El Schaddai" oder "Schaddai" nur 48-mal im AT vor; davon bei Hiob allein 31-mal, und zwar stets "Schaddai" (ohne "El"). Hiob sieht sich als das schwache Geschöpf Gott als dem Allmächtigen gegenüber."(4)

In 1Mose, wo Gott als El Schaddai erscheint, ist von Vermehrung und Nachkommen die Rede. Zum Beispiel:

Als nun Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der HERR und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm. Und ich will meinen Bund zwischen mir und dir schließen und will dich über alle Maßen mehren. (1M17,1-2)

Dazu diese Bemerkung: "Gen 49,25 stellt im Wortspiel eine Beziehung zu sadajim "Brüste" her, Jes 13,6 = Jo 1,15 zu sod Gewalttätigkeit / Verheerung".(5)

Schaddaj könnte etymologisch "Herr der Wildnis" bedeuten, doch ist das unsicher. In der Geschichtsdarstellung der Priesterschrift ist "Schaddaj" einfach der Name Gottes, bevor er sich Mose als "Jhwh" zu erkennen gibt. Im Buch Hiob steht Schaddaj für diejenige Wesensform Gottes, die dem Menschen am nächsten kommt, sich ihm am ehesten erschließt (z.B. Hi 27,10-11; Hi 31,35). "Allmacht" meint das eigentlich nicht. Das Hebräische kennt keinen Begriff für Allmacht. /http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/13033//

Das Wort scha·dhádh bezieht sich in der Bibel gewöhnlich auf ungestüme Gewalt, wie sie bei einer Verheerung oder Plünderung zum Ausdruck kommt. (Vgl. Ps 17:9; Spr 11:3.) Jesaja 13:6 lautet: "Heult, denn der Tag Jehovas ist nahe! Wie eine Verheerung (keschódh) vom Allmächtigen (misch·Schaddáj) wird er kommen." Wiewohl dieses Wurzelwort in der Bibel vorwiegend im Sinne von Gewaltanwendung verwendet wird, sind einige Gelehrte der Meinung, daß es ursprünglich oder in erster Linie einfach den Sinn von "stark sein" oder "kräftig sein" hatte.(5)

Schaddai, ein Gottesname, der seit der griechischen Übersetzung des Alten Testaments mit "Allmächtiger" wiedergegeben wird, dessen Bedeutung aber ungeklärt ist. Man hat unter anderen an eine Verbindung mit dem akkadischen Wort "schadu" – "Berg" gedacht; es handelt sich wohl um den Namen eines kanaanitischen Gottes. Die Priesterschaft verwendet den Ausdruck "El (Gott)Schaddai" für Gott in der Väterzeit (z.B. 1Mose 17,1; 2Mose 6,3), und besonders häufig erscheint der Name "Schaddai" im Ijobbuch (z.B. Ijob 5,17), sonst nur selten (z.B. Rut 1,20f.).(1)

Die Stelle im Buche Rut lautet:

Nennt mich nicht mehr Noomi (Liebliche), sondern Mara (Bittere); denn viel Bitteres hat der Allmächtige mir angetan. (Rut 2,20 EÜ).

In den vorangehenden Zitaten zu "Schadai" würde die Nähe dieses Begriffes mit "Verheerung", "Gewaltanwendung" und "Wildnis" die Verhältnisse der Zeit der Kämpfe zwischen den profanen Fürstentümern und den die Regeln einhaltenden Gottesfürstentümern gut wiedergeben. Sie enthalten zugleich Hinweise zur Genese des Begriffes "Allmächtiger".


8. Die Mahnung

Die Umdeutung der Begriffe "Schadai" und "JHWH Zebaoth" zu "Allmächtiger" ist im Zusammenhang mit der damaligen gesellschaftspolitischen Situation Palästinas zu sehen. Die Juden brauchten einen allmächtigen Gott. Nach Verlust der beiden Staaten, Vernichtung oder Verschleppung der im Norden siedelnden Stämme, nach dem babylonischem Exil und der Zerstreuung in allen Ländern des Orients lebten sie in der Hoffnung auf die Wiederherstellung ihres Staates mit Jerusalem und Tempel im Mittelpunkt. Bei den damaligen Machtverhältnissen könnte es nur ein übermächtiger Gott bewirken.

"Wache auf, Herr! Warum schläfst du?"

- klagt der Psalmist (44,24).

Jesaja ruft:

Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! …Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Wege machte, dass die Erlösten hindurchgingen? So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen… (Jesaja 51,9-11)

Die Feldzüge Aleksander des Großen im 4.Jh. v.u.Z. veränderten machtpolitisch viel im Orient, doch verbesserten die Lage der Juden in Palästina wenig. Allerdings brachte der Hellenismus auch dorthin das Gedankengut der Griechen, einschließlich, der Ideenlehre des Platons. Zum möglichen Einfluss dieser Lehre auf die Entwicklung des Gottesbegriffes zitiere ich Folgendes:

Die Aussagen über Gott und die Götter im zweiten Buch der Politeia, aber auch in vielen anderen Dialogen, machen deutlich, daß Platon einen obersten Gott von den vielen anderen Göttern unterscheidet. An dem obersten Gott wird deutlich, was es heißt, ein Gott zu sein. Wenn Platon in deutlicher Kritik an religiösen Auffassungen vieler seiner Zeitgenossen schreibt, daß Gott gut und unveränderlich ist, dann verweisen beide Eigenschaften auf die Konzeption der Idee des Guten, die Platon in den mittleren Büchern der Politeia entwickelt. Platon legt es nahe, Gott mit der Idee des Guten zu identifizieren, obwohl die Kontexte, in denen von Gott und der Idee des Guten gesprochen wird, unterschiedlich sind. Anders in den Nomoi, einem Dialog, in dem von Ideen nur sehr vereinzelt die Rede ist. In den Nomoi werden die Götter mit Seelen und der oberste Gott mit der Vernunft identifiziert. Die Studie zeigt, daß sich beide theologischen Konzeptionen nicht ausschließen, weil die Idee des Guten in relevanter Hinsicht mit der Vernunft identifiziert werden kann." Und weiter: "Platons Metaphysik gibt uns ein Argument für Gottes Gutsein. Wenn die Rede von Gott dann sinnvoll ist, wenn man unter Gott das letzte Prinzip der Wirklichkeit versteht, und die philosophische Untersuchung des letzten Prinzips der Wirklichkeit zu dem Ergebnis kommt, dass das letzte Prinzip der Wirklichkeit das Gute ist, dann kann Gott nicht von dem Guten verschieden sein.(6)

Da der lebendige Gott Israels offensichtlich versagte, wurde Gott als Idee des Guten, zunehmend attraktiv, da man auf den Sieg des Guten hoffen konnte. Als im 3. Jh. v.u.Z. jüdische Schriftgelehrte – der Überlieferung nach waren es 72 – beauftragt wurden die Heilige Schrift ins Griechische zu übersetzen, wird der "JHWH Zebaoth" ("Gott der Heerscharen") und der "Schaddai" zum "pantokrator" – "Allherrscher", (einer Bezeichnung des Zeus), oder zum "ton dynameon" – "(Herr) der Mächte", Begriffe, die dann ins Deutsche und andere Sprachen mit "Allmächtiger" übersetzt wurden. Allerdings lehnten damals, wie heute, von Vernunft geleitete Menschen den Begriff "Allmacht" ab. .

Dazu einer von den vielen Argumenten dagegen:

Der Allmachtsbegriff gerät vor allem im Zusammenhang mit dem Theodizee-Problem in die Kritik. Die Kombination von Allmacht, Allgüte, Allwissenheit und Verständlichkeit in einer Gottheit ist in Anbetracht der Leiden auf der Welt problematisch und es scheint, als müsse ein Punkt fallen. Nach einer von Hans Jonas geäußerten Theorie wäre das die Allmacht, denn diese sei logisch hinfällig. Macht sei ja nur dann Macht, wenn sie auf Widerstand treffe, unendliche Macht habe aber keinen Widerstand mehr, hier wäre also die Allmacht eine leere Macht. /https://de.wikipedia.org/wiki/Allmacht

Der an Gott glaubende Mensch weist derartige Argumente zurück, denn ein allmächtiger Gott kann ihm in jeder Situation helfen. Und wenn er dann noch glauben kann, dass dieser Gott für sein Leid im Diesseits ihn im Jenseits belohnen und in Freude am Gott ewig leben lassen wird, darf er sich glücklich wähnen. Die Eremiten und Büßer des frühen Christentums waren fürwahr keine unglücklichen Menschen. Die Juden allerdings werden so nicht glücklich. Wenn Jesaja Gott um Erlösung fleht, dann fleht er nicht um die Erlösung des Einzelnen, aber um die Erlösung des Volkes.

Und Gott ist durch seinen Bund mit Israel in eine Beziehung getreten, die ebenso eng, wie die Beziehung einer Familie ist. Deshalb hat er einst das in Ägypten gefangene Volk erlöst (2Mose 15,13) und ist fortan stets bereit, bei Bedrängnis stets einzuschreiten. Hierbei wird von Erlösung nicht nur negative Beseitigung von politischer Unterdrückung erwartet, sondern zugleich positive Herstellung eines freien, religiös integren israelitischen Staates mit Menschen, die vom sündenzwang befreit sind. (Jes 44,21-28)(1)

Noch deutlicher hebt diesen Unterschied Gershom Scholem hervor:

Das Judentum hat in allen seinen Formen und Gestaltungen, stets an einem Begriff von Erlösung festgehalten, der sie als einen Vorgang auffaßte, welcher sich in der Öffentlichkeit vollzieht, auf dem Schauplatz der Geschichte und im Medium der Gemeinschaft, kurz, der sich entscheidend in der Welt des Sichtbaren vollzieht und solche Erscheinung im Sichtbaren nicht gedacht werden kann. Demgegenüber steht im Christentum eine Auffassung, welche die Erlösung als einen Vorgang im "geistlichen" Bereich und im Unsichtbaren ergreift, der sich in der Seele, in der Welt jedes einzelnen, abspielt, und der eine geheim Verwandlung bewirkt, der nichts Äußeres in der Welt entsprechen muß.(7)

Die radikale Umdeutung des lebendigen Gottes in den allmächtigen Gott, wie sie in der Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische vollzogen wurde, lässt vermuten, dass dem eine lang andauernde, weitgehend vom Gedankengut der Griechen unabhängige Auseinandersetzung mit dem Problem innerhalb des Judentums voranging, denn die jüdischen Schriftgelehrten gehen weiter.

2. Hellenistisches Judentum im engeren Sinn ist das Diasporajudentum (besonders in Ägypten). Hier geht die Verbindung mit hellenistischem Denken noch weiter. So beseitigt die griechische Übersetzung des Alten Testaments dem philosophischen Denken anstößige Anthropomorphismen. Die Diasporaliteratur des hellenistischen Judentums will zeigen, daß die Lehren des Alten Testaments die "wahre Philosophie" darstellen, indem sie Anstößiges oder Unverständliches allegorisch umdeutet.(1)

Diese Auseinandersetzungen könnten im Buche Hiob ihren Ausdruck gefunden zu haben.

Nach gängiger Auffassung ist das Ijob-Buch als Ganzes so zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden. /http://www.joerg-sieger.de/einleit/spez/07weish/spez84.htm/


Mehr noch, es könnte eine Stellungnahme der in einer jahrhundertlangen Kontinuität auf geschichtliche Veränderungen im Volk und um das Volk Israel reagierenden priesterlichen Verfasser der Hebräischen Bibel sein. Die Umdeutung des Gottes des Pentateuchs zum allmächtigen Gott ist für sie derart tiefgreifend, dass sie zur Auseinandersetzung mit dieser Veränderung ein außerhalb Israels entstandenes literarisches Material heranziehen. Mit diesem Material konstruieren sie eine Situation, in der alle Begriffe des Menschen von Gott falsch sind. Die um Gott streitenden Menschen wissen nichts von der Wette Gottes, folglich ist die Auseinandersetzung um Gott von Grund auf falsch. Gott selbst ist falsch, denn die dort einunddreißig Mal vorkommende Bezeichnung "Schaddai", der die Verfasser das im Pentateuch vorangehende "El" verweigern, wird in einen Kontext gestellt, der eben nicht auf "Allmacht" deutet. Hiob scheint in Beteuerung seiner Unschuld aufrichtig, doch auch das könnte falsch sein.

"Meine Söhne könnten gesündigt und Gott abgesagt haben in ihrem Herzen" (1,5), befürchtet Hiob. "Haben deine Söhne vor ihm gesündigt, so hat er sie verstoßen um ihrer Sünde willen" (8,4), sagt einer der Freunde Hiobs. Aber auch Hiobs Frau hat etwas zu sagen: "Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sag Gott ab und stirb!" Sie weiß mehr als die Freunde. Hat sich der tadellose Herrscher als Vater an Gott versündigt?

Am Ende wird alles auf seltsame Art wieder gut:

Und der HERR wandte das Geschick Hiobs, als er für seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR gab Hiob doppelt so viel, wie er gehabt hatte. (42,10)

Der Mythendichter kann in dieser Situation nicht sagen: Gott erlöste Hiob von seinem Leiden. Der für das Leid Verantwortliche kann nur das Geschick wenden und gleicht es mit einer großzügigen Entschädigung aus. Jetzt hat Hiob 14000 Schafe, 6000 Kamele, 1000 Joch Rinder und 1000 Esel, und er hat wie zuvor sieben Söhne und drei Töchter. Nur, nicht die Namen der Söhne sind genannt, sondern die der Töchter. Dies wäre wundersames Glück, denn mit Namen genannte Frauen sind im Pentateuch Frauen des Grundbestandes. Aber die Namen dieser Töchter bedeuten: Täubchen, Zimtblüte und Schminkhörnchen. Sind es Frauen zu denen die Brüder sagen werden: "Du, unsere Schwester, wachse zu vieltausendmal tausend, und dein Geschlecht besitze die Tore seiner Feinde" (1M24,60)?

Der Prolog (1-2) und der Epilog (42,7-17) sind in Prosa gesetzte Dichtungen. Sie umfassen, die lange in Verseform gesetzte Erzählung. Im Prolog sagen die Verfasser, dass Allmacht Satansmacht ist. In der Erzählung sagen sie, dass Weise, die über Gott streiten, nicht wissen worüber sie reden. Im Epilog – dass Allmacht, die Böses zum Guten wendet ins Reich der Märchen gehört.

Allerdings ist ein Gott, der die Menschen dem Satan überlässt, und die, die den Satan enttäuschen, mit Reichtum belohnt, sinnvoller ist, als ein Gott, der alles kann und nichts tut, weil er zuvor alles weiß.


9. Wo ist der Vater?

"So wahr ich lebe" schwor Gott (4M14,21). "So wahr Gott lebt!" schwört Hiob (27.2), schworen Samuel (2 Sam 2,27) und andere Propheten.

Und so beschwört Gott:

Dort wirst du dienen den Götzen, die das Werk von Menschenhänden sind, Holz und Stein, die weder sehen noch hören noch essen noch riechen können (5M4,28).

Für die, die die Heilige Schrift auf Hebräisch lesen ist der "Schaddai" des Buches Hiob nicht der "Allmächtige" der Übersetzungen. Dem Abraham und dem Mose steht kein allmächtiger Gott gegenüber. "HERR, mein Gott, was willst du mir schon geben? Ich gehe dahin ohne Kinder …" (1M15,2), sagt Abraham zu Gott. "Mein HERR, sende wen du willst" (2M4,15), sagt Mose.

Allmacht ist auch in der Begründung des Namens, mit dem er sich anrufen lässt und im Namen selbst nicht herauszuhören:

Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt. Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht. (2M3,13-15)

Da sind die Sätze:

(I) So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

(II) So sollst du zu den Israeliten sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt.

Er wiederholt bei jeden der Väter das Wort "El": "Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs", um den nichtssagenden vieldeutigen Satz als Namen, mit dem er anzurufen ist, zu bestätigen, obwohl das Hebräische Bezeichnungen für Stärke und Macht hat, und diese Bezeichnungen in der Heiligen Schrift verwendet werden. Was will er damit sagen?

Mose beruft sich auf Gott mit den Worten:

Ist er nicht dein Vater, und dein Herr? Ist´s nicht er allein, der dich gemacht und bereitet hat? (5M32,6.)

In der Linearübersetzung(8) fehlt das Wort "Herr", womit die Vaterschaft Gottes noch deutlicher herausgestellt ist. Ebenso an anderen Stellen des Pentateuchs und bei den Propheten.

Ähnlich in den Mythen der Indogermanen. Der ältere Name des Jupiters setzte sich aus "dieis" und "pater" zusammen. Der Stamm von Iuppiter lautet Iov-, der Ablativ: Iove, und im Latein drückt der Ablativ die Richtung "von", die Herkunft aus.

Dazu ein Zitat aus dem Internet:

Iuppiter originated as a vocative compound of the archaic Latin vocative *Iou and pater ("father") and came to replace the archaic Latin nominative case *Ious. Jove is a less common English formation based on Iov-, the stem of oblique cases of the Latin name. Linguistic studies identify the form *Iou-pater as deriving from the Indo-European vocative compound *Dyeu-p?ter (nominative: *Dyeus-p?ter meaning "O Father Sky-god"). www,novaroma.org/nr/Iuppiter

Der Hochadel Roms leitete patrilinear seine Herkunft vom Gott dem Vater ab.

"Jahwe" - "Iove" ein wundersamer Zufall?

Der Name Ijob bedeutet (nach dem Akkadischen) "Wo ist der Vater" /http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/altes-testament/ketubimschriften/ijobhiob/

"Ijob" lautet auf Hebräisch "Ijov". Das "Waw" in "Jahwe" wird ähnlich dem "Veth" in "av" (Vater) ausgesprochen. Im Namen, "Jahwe" mit dem sich der Gott des Wüstenzuges vorstellt, ist das Wort "Vater" herauszuhören. Mit der Frage "Wo ist der Vater?" im Titel sagen Verfasser der Heiligen Schrift in dem nicht zu Geschichte Israels gehörenden Hiob-Buch, dass die Nachkommen der Elohim als Autokraten ihre Macht missbrauchen um sich zu behaupten und Menschen über einen Gott spekulieren lassen, der nichts mehr für sie tun kann, da er seine Mission, nämlich Vaterschaft, aufgegeben hat.

Die Antwort auf die Frage ist gleich am Anfang des Buches gegeben, als Gott inmitten seiner Söhne erscheint.

Es erklärt zugleich warum die Verfasser des Pentateuchs schon im 2. Kapitel des Ersten Buche Mose den Namen Jahwe einbringen, Jahrtausende bevor sich Gott "Jahwe" nennt. Dort nämlich "machte Gott, der HERR den Menschen aus Erde vom Acker" (1M2,7) in Fortführung der gesellschaftlichen Ordnung des kleinen Inselvolkes, wo ein Mann Vater aller Kinder war, im Gegensatz zum im 1. Kapitel beschriebenen Aufbau der postkataklytischem Zivilisation, an dem alle Elohim teilnahmen.

Mit "Jahwe" als "Vater" anstelle von "Ich bin, der ich bin" oder "Ich bin da" oder noch anders verstanden, eröffnet sich der Sinn vieler Stellen des Pentateuchs. So etwa in:

Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich ladest. Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR. (3M19,16-18)

Doch wirklich verstehen können es nur Juden:

Für "Lieben" hat das Hebräische die Wortwurzel "ahab". "Ahab" bedeutet zugleich: "Vaters Bruder" d.h. "ganz der Vater" (3).


Im Zuge durch die Wüste überwindet Gott sich selbst.

Rede mit der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig, der HERR, euer Gott. (3M19,2)

Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Kindern Israel sagen sollst. (2M19,6)

Mit viel Glück schafften es auch einige derer, die von Gott wegzogen. So auf den weiten Flächen nördlich der Alpen und Karpaten, wo in den entfernt voneinander siedelnden Sippen Inzucht unvermeidbarer war und Kämpfe zwischen Sippen, Stämmen und Völkern für Selektion sorgten.

Auch hier mussten die Gemeinschaften der Übriggebliebenen glauben die Auserwählten zu sein und auch hier sind Völker vergangen. Nicht jedes Volk kann die Qual seines Werdens zu schönsten Geschichte der Welt verklären und im Unglück das tiefsinnigste aller Märchen von Macht, wie im Buche Hiob, erzählen.


Literatur.

(1) Reclams Bibellexikon. Philipp Reclam jun. GmbH u. Co., Stuttgart,1992.
(2) Mythen der Völker. Band 1. Herausgegeben von Pierre Grimal. Fischer Taschenbuch Verlag GmbH. Frankfurt am Main. 1977. S.143.

(3) Rienecker F., Maier G.: Lexikon zur Bibel. R. Brockhaus Verlag Wuppertal. 1994.
(4) Weber S. F.: Gottes Namen im Alten Testament. Entschlüsselung ihrer Bedeutungen. Heft-Nr. 0301 Copyright By Bibel und Missionsschule Ostfriesland.
5. Auflage, 2013.
(5) Wachturm ONLINE-BIBLIOTHEK. Deutsche Publikationen (2000-2015). Allmächtiger. it-1 S. 97-99 Einsichten, Band 1.
(6) Platons Theologie (Symposion) von Michael Bordt (Autor). Gebundene Ausgabe 288 Seiten. 2006. Verlag Karl Alber; Auflage: 1.
(7) Scholem Gershom: Über einige Grundbegriffe des Judentums. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main. 1970.
(8) Steurer, Rita Maria: Das Alte Testament. Interlinearübersetzung Hebräisch-Deutsch und Transkription des hebräischen Grundtextes nach der Biblia Hebraica Stuttgartensia 1986. Band 1. Hänssler-Verlag 1989.


Erste Darstellung: Oktober 2015
Zweite Darstellung: Juni 2017


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